Unsere Geschichte

Die Elisabethkirche, vom Deutschen Ritterorden im 13. Jahrhundert in frühgotischem Stil über dem Grab der Heiligen erbaut und im Beisein von Kaiser Friedrich II. geweiht, stellt Ursprung und Bezugspunkt des Werdens und Wachsens des Stadtteils ‘Ketzerbach’ dar. Ob dieser Name tatsächlich darauf zurückzuführen ist, dass Elisabeths weltlicher Beistand und geistlicher Beichtvater Konrad von Marburg als vom Papst eingesetzter Ketzerverfolger an diesem damals noch unbebauten Bachlauf Gericht gehalten habe über der Glaubensabweichung Beschuldigte, ist nicht mehr eindeutig zu klären. Sicher ist jedoch, dass im Mittelalter landgräfliche Ritter Turnierkämpfe austrugen, wo später auf dem flacheren und breiteren Südufer des Bachs der Straßenzug Zwischenhausen entstand.

Anlass für die Gründung der Ketzerbachgesellschaft war ein Vorbild bürgerlichen Zusammenhalts und Opfersinns: Mehrfach hatten Unwetter zu katastrophalen Überschwemmungen in dem damals vom Töpferhandwerk bestimmten Viertel – man denke an die bekannten ‘Marburger Dipperche’ – und in der Elisabethkirche geführt, und an dem tief eingeschnittenen Bachlauf waren mehrere Kinder verunglückt. Die hygienischen und geruchlichen Folgen fehlender Kanalisation taten ein Übriges, bis die Ketzerbächer Bürger im Mai1859 mit erheblicher finanzieller Eigenbeteiligung – und gegen große Widerstände des Magistrats – die Überwölbung des Bachlaufs der Ketzerbach durchsetzten, des heute versiegten Rinnsals, das vom Marbachtal her kommend nahe der Elisabethkirche in die Lahn mündet.

Die Absicht, dieses für die künftige Entwicklung des Stadtteils bedeutsame Ereignis alljährlich mit einem Volksfest zu feiern, führte im gleichen Jahr zur Gründung der Ketzerbachgesellschaft. So blickt die zweitälteste Marburger Stadtteilgemeinde heute auf ein 160-jähriges Bestehen zurück, auch wenn erst 1927 – dem Jubiläumsjahr der damals 400 Jahre alten Universität – aus der bis dahin lockeren Straßengemeinschaft ein Verein wurde, der sogar erst 1971 ins Vereinsregister eingetragen wurde.

Die Interessen der Bürger in allen kulturellen und kommunalpolitischen Belangen in gemeinnütziger Weise zu vertreten und die Beziehungen der Bewohner der Ketzerbach untereinander und mit den anderen Stadtteilen zu pflegen und zu vertiefen stellen weitere satzungsgemäße Ziele des Vereins dar. Die Aufgeschlossenheit der Ketzerbächer zeigt sich z. B. in gemeinsamen Veranstaltungen mit anderen Vereinigungen des Stadtteils wie dem Radsportverein, der freiwilligen Feuerwehr, der Kirchengemeinde der Elisabethkirche, dem Kindergarten Julienstift und der Ketzerbächer ‘Hausverbindung’ Hasso-Borussia.

Nach zweijähriger Umbau- und Sanierungszeit stehen seit 1987 der Ketzerbachgesellschaft für ihre Zusammenkünfte Räume in der ehemaligen Stadtteilschule zur Verfügung, die in Eigenarbeit eingerichtet wurden. Dort finden neben regelmäßigen Treffen wie dem monatlichen ‘Offenen Freitag’ für alle Bürger und traditionelle Veranstaltungen statt, wie das Heringsessen am Aschermittwoch, ein herbstlicher ‘Bachschmaus’, Seniorennachmittage, Kinderfeste an Fastnacht und Nikolaus, am Jahreswechsel das ‘Weckewürfeln’ und der gern besuchte Neujahrsempfang.

Das Ketzerbachheim wird daneben auch für Veranstaltungen anderer ansässiger Vereine und von politischen Parteien genutzt. Als langfristig wichtigste, aber nur in Zusammenarbeit lösbare kommunalpolitische Aufgabe stellt sich die seit Jahren geforderte und in städtischen Gremien ebenso lang diskutierte strukturelle Aufwertung, Revitalisierung und Sanierung des nördlichen Bereichs der Marburger Kernstadt mitsamt ihren Verkehrsproblemen. Denn die Rolle des stinkenden Bachs als Problembereich in der Mitte des 19. Jahrhunderts hat heute der Straßenverkehr übernommen mit seinen lästigen Begleiterscheinungen wie Lärm, Abgasbelastung, Gefährdung der Fußgänger und Trennung des Straßenzugs. Die grüne Allee über dem Bachlauf hat ihre Funktion als verbindendes, kommunikatives Element für die Bewohner des Viertels eingebüßt, seit sie als Nachbildung eines künstlichen Baches dienen muss.

Hier haben Arbeitskreise der Ketzerbachgesellschaft schon 1991 Ideen zusammengestellt und Vorschläge zur Lösung der Probleme ausgearbeitet, die aufgrund langwieriger behördlicher Entscheidungsprozesse leider nicht aufgegriffen wurden.
Dieser Themenkomplex wird in Aussprache- und Informationstreffen mit dem Magistrat und seinen Vertretern, in Politikergesprächen und durch die persönliche Mitarbeit von Vorstandsmitgliedern in städtischen Verkehrs- und Sanierungsprojekten behandelt. Das politische Umfeld erkennt die Bedeutung dieser Arbeit an, was sich z. B. in der zahlreichen Beteiligung von Politikern und Magistratsmitgliedern der verschiedensten Parteien an Veranstaltungen der Ketzerbachgesellschaft zeigt. Kleine Erfolge der letzten Zeit stellen dar die Errichtung eines Ruheplatzes in der Mitte der Allee-artigen Straßenführung, unterstützt durch Mitglieder-Spenden, und die Einrichtung eines Zebrastreifens über die Ketzerbach. Als Erinnerung an die früheren zahlreichen Töpfereien in der Ketzerbach hat die Ketzerbachgesellschaft 1986 ein Töpferdenkmal gespendet, dass heute auf dem Platz vor dem Haus 51 in der Ketzerbach steht.

Alljährlich werden ‘Fahrten ins Blaue’ und Herbstfahrten unternommen, daneben beteiligen sich die Ketzerbächer an mehrtägigen gemeinsamen Fahrten mit anderen Stadtteilgemeinden zu entfernteren Zielen, auch ins benachbarte Ausland. Mit kleineren Begehungen und Besichtigungen werden den Teilnehmern wenig bekannte Details der Stadt Marburg nahegebracht und somit Kenntnis und Liebe zur eigenen Heimat vertieft. In der Regel werden an jedem ersten Dienstag im Monat Vorträge zu allgemein interessierende Themen angeboten.

Das soziale Engagement der Ketzerbächer zeigt sich u. a. bei der jährlichen ‘Minnereinigung’, d. h. dem Frühjahrsputz des Ketzerbächer Hausbergs, und in der Betreuung alter Bürger.

Jahreshöhepunkt ist der öffentliche Musik-Dämmerschoppen auf dem überwölbten Ketzerbach, der an die Einhausung des Bachlaufs vor jetzt 160 Jahren erinnert. Und alle 5 Jahre halten die Ketzerbächer in ihrem dreitägigen Bachfest mit wechselnden Themenschwerpunkten zusammen mit anderen ortsansässigen Vereinen die Tradition der großen Stadtteilfeste aufrecht.

Über das Vereinsgeschehen berichtet ein eigenes Mitteilungsblatt, die Hujaja-Nachrichten, deren Titel dem Refrain des Vereinsliedes entnommen ist : ”Der Ketzerbach ein Hujaja!” .Etwa vierteljährlich werden diese Nachrichten an über 400 Mitglieder versandt, von denen mehr als 150 auch außerhalb Marburgs sich mit der Ketzerbach verbunden fühlen.